Dienstag, 30. August 2011

Vergeblicher Sturm



Der Herbststurm liebt die Baumnatur
in absoluter Nacktkultur.
Wurd´ sattes Grün erst gelb, dann bunter,
reißt er die Blätterkleider runter
und wütet mit den Tannenmadeln,
weil die noch immer voller Nadeln:

Auch Erlen lassen alles fallen
bevor Novembernebel wallen.
Bald überdecke ich euch weiß,
doch euer Grün macht mich ganz heiß.
Ich bringe euch die kalte Welt,
vor der, was grün, in Starre fällt.

Wir sinds, die stolz dir widerstehen,
die grüne Wege weiter gehen.
Es schützt sich Mütterchen Natur
nicht blätterlos vor Kälte nur.
Klar wirst du es nicht unterlassen,
uns unters Nadelkleid zu fassen.
Doch selbst der Mensch erfreut sich kaum
am splitternackten Weihnachtsbaum.

Montag, 29. August 2011

Sterntaler


.

das mädchen
das für seine arbeit
euros bekam
und ausgab
litt am leiden derer
denen es noch schlechter ging
und verschenkte
seinen mantel und
seinen pullover und
seine jeans und
bluse und
string und
als es allein bekleidet
mit einem schneeweißen hemdchen
zitternd vor den mauern
eines schein-heiligen stand
öffnete sich ein fenster und
heraus rieselten
mitleidig silbern funkelnde
worte
geh doch nach
afrika da
ist es warm

Sonntag, 28. August 2011

Gummizelle



der tür
zu meinem Ich
fehlen klinken

jeden ruf
verschlucken wände

ich wünschte mir
vergessen

Samstag, 27. August 2011

leben um

lernen
um zu arbeiten
arbeiten
um zu erwerben
erwerben
um weiterzugeben
weitergeben
um unsterblich
zu scheinen
wann endlich ohne 
um zu

Freitag, 26. August 2011

futuristisches Klischee

Als die Userin
am Computer
einem leibhaftigen Menschen
begegnete
sprang sie schreiend
auf einen Stuhl und
zerdrückte
zeternd
die Maus
in ihrer Hand

Dienstag, 23. August 2011

chamäleon


in meinem aquarium
schwimmen
ungeborene identitäten

manchmal
schenke ich dir
welche

seltsam
du 
bist nur
du 

Montag, 22. August 2011

Menschwerdung



wann endlich
werde ich frei sein?
niemand steckt
mir mehr
seine keycard
in den schlitz und
ich arbeite 
sein programm ab


wann endlich
programmiere ich 
mich selbst?


Sonntag, 21. August 2011

klopf


klopfe nicht an
mein gestern

ich klopfte
ans vergessen und
auch mir
wurde nicht aufgetan

Samstag, 20. August 2011

trotzkopf


in mir
stampft
ein kleiner junge
mit dem fuß
weint
schreit
seine wut heraus
über den mann
der duldet

Freitag, 19. August 2011

Mitternacht


an der Sonne Strahlen
findet jeder
Freude

Ich wäre zufrieden
dir Mond zu sein
der dem Mantel
der Dunkelheit
Schwere
nimmt

Donnerstag, 18. August 2011

Nachruf eines Orionalen an frühere Terraner


ziegenböckig stinkend
nach fremd verdientem geld
fraßen und schissen und meckerten sie  

die windungen ihrer 
genialischen gehirne 
verloren 
in ahnungsvollem chaos 
ein geplantes glück

immerhin
brauchten sie
zum aussterben
nicht sauriergleich 
hilfe aus dem all

das
schafften sie
schon alleine

Mittwoch, 17. August 2011

Free Mumia Now


ich
wollte dir
ein gedicht schenken

voll größenwahn
glaubte ich
dich
verstehen zu können

säure an 
meine fingerspitzen
mumia 
lebend begrabene
mumie

vermessen das 
auch ich
fühle mich
manchmal gefangen

kristallklarer bach
mündest du noch
jahr um jahr
in den jauchestrom?

held?
märtyrer?
mögen es
andere entscheiden
schwarzer bruder
im dreck

ich kann nur sagen
schwimm weiter
der mündung entgegen 
und lass mich
dir wenigstens
diese worte schenken

Dienstag, 16. August 2011

ausdauer


als der genial
konstruierte torpedokäfer
zum siebten mal
gegen die gleiche
scheibe prallte
erklärte er
den staunenden fans
auf diese weise
zeige sich
seine gradlinigkeit

Montag, 15. August 2011

tiefe leere


 den alten brunnen gefunden

doch eimer um eimer bleibt leer

ich sing schon seit vielen stunden

dass man´s hört das braucht´ ich so sehr


versuche es immer wieder

doch löscht nichts die trockenheit

mich schüttelt der klang fremder lieder

von schwermut und einsamkeit


die hoffnung lässt weiter mich singen

der brunnen möcht belebendes bringen?

Sonntag, 14. August 2011

geburt einer neuen Zeit

am wochenbett 
streiten sich
die götter

steiß dort 
wohin kopf gehört
man müsste es drehen
vernunft nach vorn 

endlich schneiden
meinen einige
lassen wir
der natur ihren lauf
andere

steiß kommt zuerst
zu spät
kein schrei leben
niemals
die frau
weint sich
in langen schlaf

Freitag, 12. August 2011

gemeinsame Rast


Setz dich zu mir!
Nimm den
 Rucksack
von den Schultern!
So schwer drückt
die angenagte Vergangenheit,
die du hineingestopft.

Meine aus dem Frost
schwimmt schon im Suppentopf.
Schnell dazu, was
lange braucht,
bis es weich wird.
Gemeinsam löffeln wir
alles Eingebrockte aus.

Beim Kauen dann
kommt Appetit auf
morgen.

Donnerstag, 11. August 2011

Ehe mich die Klatsche trifft


Mir scheint´s, dass ich ne Fliege bin,
wenn ich mich leben seh.
Wie wild flieg ich zum Lichte hin,
weil ich nur das versteh.

Ich sehe nicht das Fensterglas,
bis mich die Scheibe stoppt.
Wer macht mit mir solch bösen Spaß,
von wem werd´ ich gefoppt.

Wo treibt mich mein Gefliege hin -
hier drinnen ist´s recht warm,
obwohl ich klein als Brummer bin,
so bin ich doch nicht arm.

Gerad´, weil ich nur ne Fliege bin,
will ich nicht stille ruhn.
Zum Licht zu fliegen ist mein Sinn.
Nichts Andres kann ich tun.

Mittwoch, 10. August 2011

verpatzt


Für Augenblicke
war ein Spalt
in bessere Zeit
offen.

Ungläubig stehen wir 
wieder in gestrigen
wänden und
besprühen sie
hilflos
mit graffitti.

Unerbittlich
tickt
die Uhr.

Dienstag, 9. August 2011

Kassandrischer Moment…


Erlöste mich
meine Uhr
von meiner Triebfeder,
blieben wir für immer
bei elf Uhr neunundfünfzig
und fünfundfünfzig Sekunden
stehen.
Wir hätten uns
die Welt erhalten.

Sonst
bleibt noch
Sek
Sek
Sek
Sek
Sek

Montag, 8. August 2011

Pechzeit


Als sich meine ersten
Flocken der Phantasie
in Wortkeschern verfingen,
war Frau Holles Bett noch
daunig dick.

Heute kehrt
Oma Holle wieder
von der Kaffeefahrt 
mit Lamadecken
gegen ihr Rheuma

Zittrig und blind
ruft sie mich,
Gold-Marie,
bist du zurück?


Sonntag, 7. August 2011

paradox

  
meine schuld
glaube ich
ist es
nicht
dass ich
in anderer zeit
leben möchte
trotzdem
hauche ich
vorwürfe an
mein spiegelbild

Samstag, 6. August 2011

Der Vierte

Die drei Affen
knüpfen den Strick selbst,
an dem sie hängen werden.

Ich sehe die Schlinge, die meinem Hals gilt.
Ich höre meine letzten Sekunden.
Ich rufe um Hilfe, aber wer hört mich.

Ich balle die Fäuste.
Diesmal, weiß ich,
reißt der Strick
nicht.

Freitag, 5. August 2011

einfältig


glücklich
lächelt er
in sich
hinein
weil er
dich nicht
versteht
so nennst du ihn
dumm 
weil du
ihn nicht
verstehst 
neidest ihm aber
sein Lächeln

Donnerstag, 4. August 2011

Reflexion eines Pessimisten


Die Tage sind
nicht die schlechtesten,
an denen ich
nicht Recht habe.

Aber
indem ich sie
herbeisehne,
vertreibe ich sie
.

Mittwoch, 3. August 2011

spätere rechtfertigung


hätte ich dich
nicht verlassen
nach jener nacht

wärest du wohl
nie künstlerin geworden
die so treffend
über die schwäche
des mannes
schreibt
und berühmt wurde
damit

 wir wären
ein paar und
in der buchhaltung
geblieben
und kommastelle

nun habe
allein ich
versagt